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Introvertiert oder extrovertiert: Was steckt dahinter?

Veröffentlicht am:18.09.2023

6 Minuten Lesedauer

Ob Menschen gesellig sind oder gerne Zeit allein verbringen, hängt unter anderem von Persönlichkeitsmerkmalen wie der Extraversion ab – doch woran lässt sich erkennen, ob Personen extrovertiert oder introvertiert sind?

Mehrere junge Menschen stehen in kleinen Grüppchen oder sitzen allein herum und feiern eine Dachparty.

© iStock / pixelfit

Das bedeutet Introversion und Extraversion

Die Begriffe Introversion und Extraversion leiten sich von den lateinischen Wörtern „extra“ (außen), „intro“ (hinein) und „vertere“ (wenden) ab. Sie deuten an, dass sich introvertierte und extrovertierte Personen durch unterschiedliche Eigenschaften auszeichnen. Bei der Introversion und der Extraversion handelt es sich aber nicht um zwei verschiedene Dimensionen der Persönlichkeit, sondern beide beziehen sich auf den Persönlichkeitsfaktor „Extraversion“. Lediglich die Ausprägung entscheidet darüber, ob ein Mensch als introvertiert oder extrovertiert gilt. Persönlichkeitsfaktoren bestimmen mit darüber, wie gesellig, pflichtbewusst, ängstlich oder harmoniebedürftig beispielsweise ein Mensch ist. Die Ausprägung der Extraversion ist besonders interessant, denn sie steht in einem wesentlichen Zusammenhang damit, wie sich Menschen im sozialen Umfeld verhalten, beispielsweise in der Schule, im Job oder in der Familie. Genießt eine Person die Gesellschaft anderer Menschen oder verbringt sie lieber Zeit alleine? Kann sie allgemein als abenteuerlustig bezeichnet werden oder lässt sie es lieber ruhig angehen?

Die Persönlichkeitsfaktoren im Fünf-Faktoren-Modell

Wer sich mit den Begriffen Extraversion und Introversion beschäftigt, stößt unweigerlich auf das sogenannte Fünf-Faktoren-Modell, auch als die „Big Five“ bekannt. Das Modell beschreibt verschiedene Persönlichkeitsfaktoren – mit denen Persönlichkeitsunterschiede von Menschen in allen Kulturen erfasst werden können.

Zu den Big Five zählen folgende fünf Persönlichkeitsfaktoren:

  1. Neurotizismus: Der Persönlichkeitsfaktor bezieht sich auf die emotionale Stabilität. Gibt es eine Tendenz zu Nervosität und Ängstlichkeit?
  2. Extraversion: Dieser Persönlichkeitsfaktor beschreibt bei einer deutlichen Ausprägung eine Tendenz zur Geselligkeit, Heiterkeit und Dominanz.
  3. Offenheit für neue Erfahrungen: Hier geht es beispielsweise um Kultur und Intellekt. Wie sehr ist jemand daran interessiert, sich mit schöngeistigen oder tiefsinnigen Themen zu befassen?
  4. Verträglichkeit: Der Persönlichkeitsfaktor beschäftigt sich mit der Tendenz zu Harmonie und Freundlichkeit.
  5. Gewissenhaftigkeit: Die Begriffe Selbstdisziplin und Fleiß stehen hier im Mittelpunkt. Wie zielstrebig ist jemand und besitzt die Person eine Tendenz zum langfristigen Planen?

Gemessen werden die Persönlichkeitsfaktoren übrigens meist mit Fragebögen – die Anwender und Anwenderinnen können verschiedene Antworten wie „gar nicht“ oder „wenig“ auswählen. Der Fragebogen könnte beispielsweise folgende Aussagen zur Bewertung freigeben: Extraversion: Ich bin sehr kontaktfreudig, Gewissenhaftigkeit: Meine Aufgaben erledige ich immer sehr genau.

Wie verhalten sich extrovertierte Menschen?

Extrovertierte Menschen lieben den Austausch mit anderen Personen und brauchen soziale Anregung. Ob in der Mittagspause oder zuhause – sie freuen sich über soziale Kontakte. Ein voller Tag mit Meetings und Gesprächen ist für sie in der Regel kein Problem. Im Gegenteil, sie fühlen sich durch die Teilnahme an sozialen Interaktionen energiegeladener. Auf andere Menschen wirken sie oft gesellig, herzlich, positiv und fröhlich. Extrovertierte Menschen haben häufig eine abenteuerlustige und dominante Seite – sie können sich gut durchsetzen und übernehmen in Gruppensituationen gerne die Führung.

Was macht introvertierte Menschen aus?

Auf manche Menschen wirken introvertierte Personen schüchtern. Zwar sehnen sich Introvertierte im Vergleich zu Extrovertierten weniger nach sozialem Austausch, aber schüchtern müssen sie deshalb nicht zwangsläufig sein. Viele können durchaus leicht Kontakte knüpfen, fühlen sich aber meist in kleineren Gruppen wohler – manchen introvertierten Menschen liegen soziale Aktivitäten auch gar nicht. Ihre Mitmenschen beschreiben sie eher als ernst, ruhig und distanziert. In Konfliktsituationen neigen sie dazu, nachzugeben und weitere Diskussionen zu vermeiden. Das liegt daran, dass introvertierte Menschen eher sensibel auf äußere Einflüsse reagieren: Schon alltägliche Reize rauben ihnen viel Energie – Streitigkeiten umso mehr. Manche Introvertierte fühlen sich deshalb eher in Berufen wohl, in denen sie viel für sich alleine arbeiten können und nicht permanent mit anderen in Kontakt sind.

Eine junge Studentin erzählt ihrem Begleiter ausführlich etwas auf dem Weg zur Vorlesung.

© iStock / Drazen Zigic

Viele introvertierte Menschen sind besonders einfühlsam und können gut zuhören.

Wie viele Menschen sind introvertiert und wie viele extrovertiert?

Das lässt sich nicht so leicht sagen. Man schätzt aber, dass etwa hierzulande 30 bis 50 Prozent der Menschen eher introvertiert sind, der Rest, so könnte man meinen, würde demnach zur Extraversion neigen. Viele Personen sind aber nicht klar nach innen oder außen gewandt. Hinzu kommt, dass in sozialen Medien vor allem extrovertierte Menschen in Erscheinung treten. Dies kann den Eindruck erwecken, es gäbe mehr extrovertierte als introvertierte Menschen. Wie ausgeprägt das Persönlichkeitsmerkmal Extraversion ist, bildet die Extraversionsskala im Fünf-Faktoren-Modell ab. Wer hier hohe Werte erreicht, gilt als extrovertiert, niedrige Werte sprechen für eine Introversion. Viele Menschen finden sich allerdings im mittleren Bereich der Skala wieder. Forscher und Forscherinnen nennen das Ambiversion. Menschen mit einer Ambiversion weisen sowohl Kennzeichen der Introversion als auch der Extraversion auf. Sie haben die Fähigkeit, sich an verschiedene Situationen anzupassen – manchmal sind sie sehr gesprächsbereit, sie können aber auch die eher distanzierte Beobachterrolle einnehmen.

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Welche Faktoren bestimmen die Ausprägung der Extraversion?

Experten und Expertinnen beschäftigen sich damit, was die Ausprägung von Extraversion beeinflusst. Im Mittelpunkt steht die Frage: Was macht einen Menschen zu einem extrovertierten oder introvertierten Typ? Dabei scheinen sowohl die Vererbung als auch die Umwelt eine Rolle zu spielen. Forschende haben in einer Untersuchung verschiedene Genorte identifiziert, die mit Persönlichkeitsmerkmalen wie der Extraversion in Zusammenhang stehen sollen. Demnach könnten Eltern die Neigung zu Introversion oder Extraversion zumindest zu einem gewissen Teil an ihre Kinder weitergeben – die Unterschiede zwischen Menschen in Bezug auf die Extraversion lassen sich zu etwa 50 Prozent auf die Vererbung zurückführen. Der andere wichtige Faktor sind Umwelteinflüsse. Dazu zählen Erfahrungen, die Menschen im Laufe ihres Lebens machen. Untersuchungen an Geschwisterkindern geben Grund zu der Annahme, dass individuelle Erfahrungen sogar entscheidender sind als gemeinsame Erfahrungen innerhalb der Familie. Das bedeutet: Selbst wenn Kinder gemeinsam aufwachsen, können sie völlig unterschiedliche Ausprägungen auf der Extraversionsskala haben.

Haben Introversion und Extraversion beide ihre Vorteile?

Sowohl Introversion als auch Extraversion sind mit gewissen Vorteilen, aber auch Nachteilen verbunden. Menschen, die gerne kommunizieren, aktiv und abenteuerlustig wirken, kommen meist gut in der Gesellschaft an. Sie sind beliebte Partygäste und eine gute Partie, wenn es um einen Mittagsplausch geht. In Vorstellungsgesprächen überzeugen sie in der Regel durch ihr selbstbewusstes Auftreten. Eine Untersuchung liefert sogar Hinweise darauf, dass die Extraversion unmittelbar mit der Lebenszufriedenheit zusammenhängen kann. In Gruppen kann es sehr extravertierten Menschen allerdings schwerfallen, sich zurückzunehmen und andere zu Wort kommen zu lassen. Introvertierte müssen aber keinesfalls im Schatten Extrovertierter stehen. Ihre Einfühlsamkeit und ihre Nachdenklichkeit machen sie zu beliebten Gesprächspartnern und Gesprächspartnerinnen. In Teamsitzungen überzeugen sie oft mit ihrer konzentrierten Arbeitsweise und ihrer Zurückhaltung. Allerdings hat auch die Introvertiertheit ihre Nachteile. Introvertierte Personen sind unter Menschen oft gestresst und brauchen Zeit für sich, um sich davon zu erholen. In Gesellschaft machen sie oft einen unsicheren Eindruck. Wie sehr jemand von seiner Extraversionsausprägung profitiert, hängt also auch maßgeblich von der vorliegenden Situation ab.

Ist es möglich, von einem introvertierten zu einem extravertierten Menschen zu werden?

Viele Menschen wären gern extrovertierter. Das ergab auch eine Studie, wonach dieser Wunsch einem der häufigsten Entwicklungsziele entsprach. Wahrscheinlich ist das darauf zurückzuführen, dass Betroffene sich nach Eigenschaften sehnen, die in der Gesellschaft gut ankommen, etwa Geselligkeit oder Heiterkeit. Dass sich jemand von einem sehr introvertierten zu einem extrovertierten Menschen entwickelt, halten Psychologen und Psychologinnen jedoch für eher unwahrscheinlich. Vor allem deshalb, weil die genetische Veranlagung zumindest teilweise darüber bestimmt, wie introvertiert oder extrovertiert ein Mensch ist. Es ist aber durchaus möglich, sich für bestimmte Situationen extrovertiertes Verhalten anzugewöhnen. Introvertierte Menschen können sich beispielsweise zum Ziel setzen, die Mittagspause öfter in geselliger Runde zu verbringen oder zu lernen, vor vielen Menschen zu sprechen.

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Kann eine Beziehung zwischen einem introvertierten und einem extrovertierten Menschen funktionieren?

Gegensätze ziehen sich an – dieser Spruch kann auch auf eine Partnerschaft zwischen introvertierten und extrovertierten Partnern und Partnerinnen zutreffen. Unterschiedlich ausgeprägte Ausschläge auf der Extraversionsskala können faszinierend und anziehend auf das Gegenüber wirken. So können sich Introvertierte von der Abenteuerlust und Kontaktfreudigkeit ein Stück weit anstecken lassen, Extrovertierte erhalten durch die nachdenkliche und einfühlsame Art neue Impulse. Allerdings ist es auch wichtig, gegenseitig auf die verschiedenen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Ein introvertierter Mensch braucht häufiger eine Pause von gesellschaftlichen Aktivitäten und eine extrovertierte Person erhält bestenfalls weiterhin den für sie wichtigen Austausch mit anderen Menschen im Alltag. Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme sind daher besonders wichtig für eine funktionierende Beziehung. Vielen Paaren hilft es zum Beispiel, sich regelmäßig zusammenzusetzen und einen Plan für die Woche zu entwickeln – mit regelmäßigen Erholungsphasen und geplanten Aktivitäten kommt jeder auf seine Kosten. Die Möglichkeit, auch zwischendurch etwas alleine zu unternehmen, oder sich zurückziehen zu dürfen, kann ebenfalls zu einer glücklichen Beziehung beitragen.


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